GrünZeugsDrei: Verschwörungstheorien
Quelle: DallasObserver.com
Der Rattenfänger von Hameln ist eine weltbekannte Sagengestalt. Im politischen Leben werden Leute als Rattenfänger bezeichnet, die den Menschen mit einfachen, aber eingängigen Melodien den Kopf verdrehen.
Kennen Sie TINA?
Die britische Premierministerin Thatcher hat TINA berühmt gemacht. Eine politische Entscheidung wird als »alternativlos«, als die einzige vernünftige Lösung dargestellt: »There Is No Alternative!« Man will den Menschen einreden, es gehe gar nicht um politische Entscheidungen – wo es grundsätzlich immer mehrere Möglichkeiten gibt –, sondern um sachlich zwingende Maßnahmen. TINA hat für den, der sie gekonnt einsetzt, erhebliche Vorteile: Man muss seine Politik nicht mühsam rechtfertigen. Wer widerspricht, gleicht einem Querulanten, der die Feuerwehr beim Löschen eines Brandes behindert. So richtig das Argument auf den ersten Blick erscheint, es kann leicht missbraucht werden.
Alles TINA oder was?
Wenn jede politische Entscheidung als »alternativlos« dargestellt wird, von der Parkplatzgebühr bis zur Einführung des Euro, dann legt sich das wie Mehltau auf die politische Kultur: Erst sind wir für die Kernkraft, weil sie nun mal alternativlos für die Energieversorgung ist, dann plötzlich ist ihre Abschaffung genauso unausweichlich, weil sie eben unwägbare Risiken birgt. Gebetsmühlenartig wiederholt, verliert TINA an Glaubwürdigkeit. Die Politikverdrossenheit wächst. Schlimmer noch: Weil Gegenstimmen stets als unvernünftig abgetan wurden, haben sich manche so daran gewöhnt, als »Spinner« zu gelten, dass sie den Vorwurf der Irrationalität nun wie ein Banner vor sich hertragen.
Die große Verschwörung
Politik wird oft nur noch als riesige Verschwörungsmaschine begriffen, in der »Systempolitiker« mit Hilfe der »Lügenpresse« über ein verblendetes Volk herrschen. Dabei ist keine Theorie zu abwegig, keine Anschuldigung zu abenteuerlich, solange sie dazu dient, die angeblichen Verschwörer zu entlarven. Besonders am rechten Rand nutzen Parteien solche Strategien. Sie geben mit einfachen Slogans Orientierung, aber sie bieten kaum konkrete politische Konzepte. Nicht von ungefähr hat sich die »AfD« schon durch die Namensgebung als Alternative in alternativlosen Zeiten positioniert. Im Kern aber fährt sie einen Kurs der Ausgrenzung von Minderheiten, der gehässigen Suche nach angeblichen Sündenböcken und fördert eine Haltung des ewigen »Wir gegen die«.
Es geht auch anders
Wie kann man dem geschilderten Dilemma entrinnen, ohne sich im Hamsterrad immer neuer und haarsträubender Desinformationen zu verausgaben? Für uns zählt:
- Ohne Selbstkritik verkommt Kritik zu reiner Selbstgerechtigkeit, das braucht niemand.
- Demokratische Prozesse sind fehlbar und komplex. Statt »alternativloser« Einbahnstraßen ist nach unserer Meinung ein Geflecht von Wegen nötig, so vielfältig und kreativ wie unsere individuellen Lebensziele.
Der spanische Maler Goya veröffentlichte seine wohl berühmteste Radierung im Jahr 1799. Der Text im Bild lautet übersetzt:
„Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.“
Quelle: wikimedia.org
„Das Problem einer Revolte gegen eingebildete Unterdrückung ist, dass dabei bloß eingebildete Freiheit herauskommt.“
Fintan O’Toole